Wenn man seine bevorzugten Bildbearbeitungsprogramme mal gefunden hat, kommt man nur schwer wieder von ihnen weg. Hier und da wagt man mal einen mutigen Blick über den Tellerrand hinaus, aber dabei bleibt es dann meist auch. Man möchte seinen gewohnten Workflow eben nicht aufgeben. Bei meinem letzten Blick über den Tellerrand erspähte ich jedoch etwas sehr Interessantes.
Vorwort
Im RAW Format zu fotografieren hat viele Vorteile und auf diese möchte ich auch gar nicht im Detail eingehen. Wer in RAW fotografiert, weiß in der Regel, warum er das tut. Man hat seinen Workflow, den man blind beherrscht und seine Programme, welche man kennt und an deren Eigenarten man sich mitunter jahrelang gewöhnt hat. Der Mensch ist ein Gewohnheitstier sagt man so schön und in dieser Aussage steckt viel Wahrheit.
Normalerweise bearbeite ich meine Bilder in Lightroom oder Capture One. Letzteres rückt bei mir, aufgrund der teuren Preispolitik, allerdings immer weiter in den Hintergrund. Den Aufpreis für Version 21, welche nebenbei nicht gerade viele Neuerungen zu bieten hat, ist mir zu hoch und ich glaube, an der Preisgestaltung wird sich auch in Zukunft nicht viel zum Besseren wenden. Sollte ein Bild doch mal etwas mehr Nachbearbeitung benötigen, kommt Photoshop zum Einsatz. Damit sind alle meine Anforderungen abgedeckt.
Trotzdem schaue ich mir gerne andere Software an und überlege, ob sie in meinen Workflow passen würde. Das Problem dabei ist, dass sich diese Software oft nicht integrieren lässt, weil sie entweder destruktiv arbeitet (aus meinem RAW wird ein TIFF oder gar JPEG) oder sie eines meiner gewohnten Programme ersetzen würde. Photoshop, Lightroom oder Capture One zu ersetzen ist aber keine Leichtigkeit. Besonders nicht, wenn man die Programme gewohnt ist und mit dem neuen Anwärter auf diesen Posten nicht schneller arbeiten kann. Man benötigt zusätzliche Einarbeitungszeit in die neue Software und wie bereits erwähnt … der Mensch ist ein Gewohnheitstier … und zusätzlich auch etwas faul.
Vor ein paar Tagen ist mir DxO PureRAW aufgefallen. Am meisten hat mich dabei angesprochen, dass PureRAW kein Programm ersetzen möchte und sich einfach in vorhandene Workflows integrieren lassen soll. Aber wer behauptet das nicht? Zuerst einmal klingt alles super einfach und irgendwann ist man dann auf verschiedene Plugins in Photoshop oder Lightroom angewiesen, um den ach so einfachen Workflow irgendwie ans Laufen zu bringen. Und wehe, wenn dann ein Update erscheint und das Konstrukt wie ein Kartenhaus in sich zusammenfällt.
Keine RAW-Bearbeitung, sondern ein RAW-Konverter
PureRAW ist in dieser Hinsicht wirklich einfach und unkompliziert. Es ist mehr oder weniger ein Durchlauferhitzer für eure RAW-Bilder. Eingabe – Ausgabe, sonst nichts. Ok, es gibt noch ein paar Einstellungsmöglichkeiten, aber die lassen sich an einer Hand abzählen.
In PureRAW gibt es keine Möglichkeit, die Bilder in irgendeiner Art und Weise zu bearbeiten. Die Software erledigt lediglich das Demosaicing, entfernt Bildrauschen, wendet Objektivkorrekturen an und gibt euch wieder ein RAW-Bild zurück. Nur eben ein viel besseres RAW-Bild, mit dem es sich wesentlich besser arbeiten lässt, da diese Bearbeitungsschritte entfallen und man sich darum keine Sorgen mehr machen muss.
DxO ist übrigens bekannt für seine sehr guten Algorithmen für die Bildentrauschung und das Nachschärfen. Auch die Objektivkorrekturen sind sehr gut und suchen, besonders in diesem Umfang an unterstützen Objektiven, ihresgleichen. Die DeepPRIME genannten Algorithmen für Bildentrauschung und Nachschärfung basierend auf künstlicher Intelligenz. Sie wurden bereits in DxO PhotoLab sehr gelobt und dem kann ich mich nur anschließen. PhotoLab habe ich mir ebenfalls vor ein paar Wochen angeschaut und war recht begeistert. Leider finde ich die Bedienung an manchen Stellen noch etwas hakelig, aber das kommt mal wieder daher, dass ich andere Programme gewohnt bin. Wer neu in die RAW-Bearbeitung einsteigt, macht mit PhotoLab sicherlich nichts falsch.
Als Ausgabe erzeugt PureRAW eine DNG-Datei, die mit so ziemlich jeder Software nachbearbeitet werden kann. DNG ist in dieser Hinsicht so etwas wie das Brot-und-Butter-RAW der Fotoindustrie. Dieses DNG kann man dann, entweder automatisch oder von Hand, in Lightroom importieren und dort weiterverarbeiten. Man muss nicht befürchten, hinsichtlich des Formats auf irgendeine Art und Weise eingeschränkt zu sein. Die DNG-Datei liefert die gleichen Reserven in Schatten und Lichtern und entspricht auch sonst in jeder Hinsicht eurem gewohnten RAW-Foto.
PureRAW erzeugt eine sogenannte „lineare DNG-Datei“. Das bedeutet, dass das Demosaicing bereits erledigt und in der Datei gespeichert ist. Eure Bildbearbeitungssoftware muss sich dementsprechend nicht mehr um das Demosaicing kümmern.
Die Oberfläche der Software
Nach der Installation der Software, wird man von einer spartanischen Oberfläche begrüßt, welche erst einmal wenig spektakulär wirkt. Man kann RAW-Dateien im Programm öffnen oder in das Programmfenster ziehen. Es gibt ein paar Schaltflächen, mit denen man nach bereits verarbeiteten und unverarbeiteten Bildern filtern oder die hinzugefügten Bilder wieder aus dem Programm entfernen kann. Eure Bilder werden innerhalb von PureRAW übrigens ganz einfach nach Datum sortiert. Ihr solltet also schon vorher wissen, welche Bilder ihr durch PureRaw jagen wollt, weil es innerhalb des Programms keine Möglichkeit gibt, sie anhand von Kriterien zu filtern. Ihr könnt lediglich die unnötigen Bilder wieder entfernen oder den entsprechenden Haken am Bild entfernen. Es wird dann nicht verarbeitet, bleibt aber im Programm, bis ihr es schließt. Sobald ihr PureRAW dann wieder öffnet, findet ihr wieder einen leeren Arbeitsbereich vor.
Entwickeln der Bilder
Habt ihr eure Auswahl getroffen, kann es auch schon losgehen. Nach einem Klick auf „Bilder entwickeln“ erscheint wahrscheinlich erstmal ein Hinweis, dass das Profil für eure Kamera und euer Objektiv noch nicht heruntergeladen wurde. Das ist aber mit einem Klick erledigt. Das Fenster wird euch, zumindest bei dieser Kamera- und Objektivkombination, nicht mehr begegnen.
Als Nächstes öffnet sich ein kleines unscheinbares Fenster, das so ziemlich alle Optionen des Programms beinhaltet. Es sind drei!
- Die Auswahl der Methode, die zum Einsatz kommen soll (DeepPRIME, PRIME oder HQ)
- Das Ausgabeformat (wer würde hier nicht DNG wählen?)
- Der Speicherort für die entwickelten Dateien.
Damit wäre dann auch der Funktionsumfang des Programms abgefrühstückt. Man kann die DxO Algorithmen und Korrekturprofile auf die Bilder anwenden und damit hat es sich dann auch schon erledigt.
Die Auswahl der zur Anwendung kommende Methode ist sicherlich die wichtigste Einstellung. Hier entscheidet sich auch, wie lange euer Rechner mit dem Verarbeiten der Bilder beschäftigt sein wird. Dazu kommen wir aber später.
DeepPRIME ist dabei sicherlich die mit Abstand aufwändigste der Methoden. Bei der Verwendung von künstlicher Intelligenz ist das nicht verwunderlich. Sie hat auch die größte Auswirkung auf die Bilder. PRIME ist praktisch der gleiche Vorgang, nur ohne künstliche Intelligenz und weniger rechenintensiv und HQ ist ein anderer Algorithmus, der die geringste Auswirkung auf euer Bild hat.
Als Ausgabeformat DNG zu wählen, ist sinnvoll, wenn ihr das Bild später noch nachbearbeiten wollt. In der Regel will man das natürlich, aber falls nicht, könnt ihr euch auch ein JPEG generieren lassen, das höchstwahrscheinlich besser ist als die interne JPEG-Verarbeitung eurer Kamera. Zumindest was Schärfe und Bildrauschen angeht.
Als Speicherort ist übrigens „DxO-Ordner im Originalbilder-Ordner“ vorausgewählt. Zumindest hat man dann alles, also die „Originale“ und die PureRAW DNGs, in einer Verzeichnisstruktur, was ich sehr praktisch finde. Das hängt aber auch von eurer Sortierung ab. Evtl. arbeitet ihr auch gar nicht mit Verzeichnisstrukturen und lasst das alles von Lightroom oder einer anderen Software erledigen.
Wie geht es jetzt weiter?
Ihr habt aus euren RAW-Bildern nun DNGs erstellt. Das klingt erstmal nicht sonderlich spektakulär, aber das Fenster, das euch auf das erfolgreiche Entwickeln eurer Bilder hinweist, bietet drei interessante Optionen. Ihr könnt euch die Bilder direkt im Ordner anzeigen lassen, sie in einer Vergleichsansicht öffnen oder direkt in eine Anwendung eurer Wahl importieren (was das Programm fälschlicherweise als „Exportieren“ bezeichnet, aber darüber lässt sich streiten).
Die Vergleichsansicht wird bei euch bestimmt den gleichen Wow-Effekt hervorrufen wie bei mir. Erst dachte ich noch, dass es vielleicht nur daran liegt, dass der Algorithmus mit genau diesem Bild vielleicht gut harmoniert hat, aber so ziemlich jedes Bild war rauschfrei und sehr gut geschärft. Von Zufall kann man da also nicht sprechen. Nicht vergessen auf die 1:1 Ansicht zu klicken, damit ihr den Unterschied auch in seiner vollen Pracht sehen könnt.
Nachdem ihr den ersten Schock überwunden und die Vergleichsansicht, sowie euren Mund, wieder geschlossen habt, könnt einen Rechtsklick auf das kleine Vorschaubild innerhalb des Programms machen. Dort gibt es dann wieder die Option, das Bild in eine Anwendung eurer Wahl zu exportieren. Neu berechnet werden muss es dabei nicht mehr. Sobald die DNG-Datei einmal erstellt ist, arbeitet PureRAW mit dieser Datei.
Import in Lightroom und Photoshop
Der Import in Lightroom ist mehr oder weniger eine einfache Vorauswahl eurer Bilder innerhalb einer Ordnerstruktur, bei der ihr nur noch auf „Importieren“ klicken müsst. Ihr habt übrigens auch die Möglichkeit, das Original-RAW zu importieren. Dann könnt ihr die beiden Dateien gleich in Lightroom vergleichen.
Lightroom ist natürlich auch nicht unfähig, was die RAW-Entwicklung betrifft. Öffnet ihr das Original-RAW sieht es schon mal wesentlich besser aus, als die Vergleichsansicht innerhalb von PureRAW euch weiß machen wollte. PureRAW stellt das Original-RAW in der Vergleichsansicht allerdings auch komplett OHNE Rauschreduzierung und Nachschärfung dar. Lightroom bietet sich solch eine Blöße nicht und wendet standardmäßig eine Entrauschung (besonders des Farbrauschens) und eine Nachschärfung auf euer Bild an. Der Unterschied zwischen dem Original-RAW und dem DNG aus PureRAW sollte allerdings trotzdem sehr gut sichtbar sein.
Alle Bilder, die ich hier in der Vergleichsansicht zeige, wurden einfach nur in Lightroom importiert und die Standard Entwicklungseinstellungen von Lightroom wurden angewendet. Für die DNGs aus PureRAW habe ich die Nachschärfung komplett deaktiviert. Wer will, kann hier später noch nachschärfen.
Sollten die Bilder leicht unterschiedlich aussehen, liegt das an den unterschiedlichen Objektivkorrekturen welche von den Programmen angewendet werden. Die Korrekturen von DxO fand ich „passender“, aber sollte euch die Korrektur mal nicht zusagen, könnt ihr beim Entwickeln der Bilder innerhalb von PureRAW auch die Objektivkorrekturen deaktivieren. Die Option verbirgt sich hinter dem Button „DxO-Module“.
Ab jetzt beginnt praktisch wieder euer gewohnter Lightroom Workflow. Entrauschen und Nachschärfen können in der Regel entfallen. Das ist aber Geschmackssache.
Solltet ihr das Bild in Photoshop importieren, öffnet sich Camera RAW. Genau so, wie wenn ihr euer normales RAW-Bild öffnen würdet. Vollkommen unspektakulär und selbsterklärend.
Ihr kennt bestimmt den Satz „Nachgeschärft und entrauscht wird immer erst zum Schluss!“. Warum soll das so sein? Und macht ihr jetzt alles falsch, weil die Bilder schon entrauscht wurden und schärfer aussehen? Nein. PureRAW verfolgt den Ansatz, dass nur Informationen im Bild sein sollten, die ihr auch haben wollt. Diese könnt ihr dann in der weiteren Bearbeitung herausarbeiten oder verändern. Der Merksatz hat jedoch trotzdem ein Fünkchen Wahrheit in sich. Beide Funktionen sind sehr rechenintensiv und verlangsamen die Bildbearbeitung teils deutlich, da sie immer wieder auf das Vorschaubild eurer Bearbeitungssoftware angewendet werden müssen, wenn ihr die Regler auch nur leicht anfasst. Da PureRAW die Schritte für euch schon in die DNG-Datei gepackt hat, braucht ihr euch darüber aber keine Gedanken zu machen.
Experiment: integrierte GPU bei Intel Prozessoren aktivieren
Die DeepPRIME Methode profitiert in großem Umfang von der zusätzlichen Verwendung der Grafikkarte. Auch wenn euer Laptop nicht über eine eigenständige Grafikkarte verfügt, könnt ihr in den Einstellungen von PureRAW die interne Grafikkarte aktivieren. Das ist jedoch experimentell, da diese Grafikkarten oftmals nur teilweise unterstützt werden und PureRAW abstürzen oder fehlerhafte Ausgabedateien produzieren kann. Bei mir lief alles stabil und die Intel Grafik des MacBook Air beschleunigte den Entwicklungsvorgang enorm. Testet es aber auf jeden Fall vorher mit eurer eigenen Hardware.
Im Zweifel könnt ihr die Einstellung einfach auf „Automatische Auswahl“ belassen, dann benötigt eure Entwicklung vielleicht länger, aber ihr müsst euch nicht mit fehlerhaften Dateien oder Programmabstürzen herumärgern.
Entwicklungszeiten mit verschiedener Hardware
Ich habe die Entwicklungszeiten von zwei verschiedenen Bildern auf zwei Laptops und einem Desktop Rechner getestet. Als Beispielbilder dienen Dateien aus einer Olympus OM-D E-M5 und einer Canon EOS 5DsR. Die OM-D E-M5 dient dabei als Beispiel für ältere Kameras, die noch keine Megapixelmonster waren und die EOS 5DsR als Beispiel für neuere Kameras, bei denen 50 Megapixel immer häufiger zum Einsatz kommen. Je größer die Eingangsdatei ist und je mehr Megapixel eure Kamera hat, desto länger benötigt die Entwicklung in das DNG-Format.
Die Laptops waren
- ein MacBook Air 2020 mit Intel Core i3-1000NG4 Prozessor, 8 GB RAM und Intel Iris Plus Grafik als Vertreter der leistungsschwachen Geräte ohne eigene Grafikkarte und
- ein Windows 10 Gaming Laptop vom Hersteller Monster mit Intel Core i7-10750H Prozessor, 16 GB RAM und NVIDIA RTX 2060 Grafikkarte als leistungsstärkeres Gerät.
Der Desktop Rechner hatte folgende Eckdaten:
- Intel Core i3-8100 Prozessor, 16 GB RAM, NVIDIA GTX 980 Grafikkarte und ebenfalls Windows 10
Zusätzlich habe ich die verschiedenen Entwicklungsmethoden verglichen, auch wenn die meisten sicherlich DeepPRIME verwenden werden.
Beim MacBook Air verkürzten sich die Entwicklungszeiten um die Hälfte, sobald die GPU aktiviert wurde. Das ist aber nicht in jedem Fall zu empfehlen. Die aufgelisteten Zeiten sind unter Verwendung der CPU entstanden.
OM-D E-M5 – 16 Megapixel:
MacBook Air | Windows 10 Laptop | Desktop Rechner | |
DeepPRIME | 02:17 | 00:19 | |
PRIME | 01:02 | 00:20 | 00:32 |
HQ | 00:16 | 00:07 | 00:11 |
Canon EOS 5DsR – 50 Megapixel:
MacBook Air | Windows 10 Laptop | Desktop Rechner | |
DeepPRIME | 08:05 | 00:38 | 00:54 |
PRIME | 04:37 | 01:24 | 02:08 |
HQ | 01:02 | 00:26 | 00:38 |
Die Zahlen deuten darauf hin, dass DeepPRIME, trotz der hohen Anforderungen, sehr schnell arbeiten kann, wenn das System über eine leistungsstarke Grafikkarte verfügt. Dann kann DeepPRIME schneller sein als die anderen Algorithmen, welche nur die CPU verwenden.
Die kostspieligen Nachteile
Drei potenzielle Probleme sehe ich bei PureRAW.
Die Software ist nicht günstig. Aktuell ist DxO PureRAW für knapp 90 € zu haben und das ist lediglich der Einführungspreis. Später soll die Software ca. 130 € kosten. Ich denke schon, dass die Ergebnisse der Software das wert sind, aber nicht jeder möchte so viel Geld für eine Software mit so wenigen Funktionen bezahlen. Und das kann ich absolut nachvollziehen.
Doch mit dem Preis der Software alleine ist es noch nicht getan.
Am besten habt ihr bereits eine große Festplatte für eure Bilder. Die DNG-Dateien aus PureRAW sind riesig! Nicht was deren Auflösung betrifft, die entspricht immer noch der eurer Kamera, aber die Dateien sind knapp viermal größer als eure normalen RAW-Dateien. Zwei Beispiele:
- RAW aus der alten Olympus OM-D E-M5 (16 Megapixel) – 18 MB ORF-Datei = 84 MB DNG-Datei
- RAW aus der Canon EOS 5DsR (50 Megapixel) – 75 MB CR2-Datei = 252 MB DNG-Datei
Wenn ihr, zusätzlich zu den PureRAW DNGs noch die Original-RAWs speichern wollt, müsst ihr also mit ungefähr dem fünffachen Speicherbedarf rechnen. Wer bisher mit einer 2 TB Festplatte auskam, kann sich also schon mal nach einer 10 TB Festplatte umschauen und wer bisher mit 10 TB auskam … na ja, viel Glück. Das sind Bereiche von Storage Systemen mit mehreren Festplatten und RAID-Konfigurationen, die ALLE nicht günstig und klein sind. Von der entsprechenden Einrichtung und Wartung ganz abgesehen.
Zusätzlich braucht ihr einen leistungsfähigen Rechner. Am besten noch mit eigenständiger GPU, wie sie in Gaming Laptops und Rechnern zu finden ist. Wer viel Bilder bearbeitet, verfügt in der Regel schon über die entsprechende Hardware, aber das trifft keinesfalls auf jeden zu. Dann ist viel Geduld gefragt. Das Entwickeln großer Bildmengen kann dann auch schon mal ein paar Stunden dauern. Der leistungsfähige Rechner schadet auch nicht bei der Bearbeitung der großen DNG-Dateien.
Probleme bei der RAW-Kompatibilität
PureRAW unterstützt nicht jede Kamera. Probleme hatte ich vor allem mit RAF-Dateien aus Fujifilm Kameras. Wahrscheinlich liegt das am X-Trans Sensor, der ein anderes Demosaicing benötigt als die „normalen“ Bayer-Sensoren. Dort meldet PureRAW sofort, dass die Datei nicht unterstützt wird.
Auch bei DNG-Dateien aus der alten Leica M8 streikt das Programm mit der gleichen Meldung. Beim Import von DNGs war ich eigentlich recht zuversichtlich, dass das klappen sollte, aber auch die Leica M8 verfügt über einen exotischen CCD-Sensor. Die Kompatibilität ist allerdings, bis auf die genannten Ausnahmen, sehr gut ausgebaut. Selbst Bilder von der Sony NEX-3 und der Canon EOS 1200D konnten erfolgreich entwickelt werden, obwohl beide Kameras schon ein paar Jahre auf dem Buckel haben.
Leider gibt es auf der Support Seite von DxO noch keine Liste der unterstützten Kameras. Zum Glück kann man sich eine 30 Tage Testversion von PureRAW herunterladen und selbst ausprobieren, ob die eigenen Dateien unterstützt werden und die Ergebnisse überzeugend sind.
Keine übertriebene Schärfung des Bokeh
Ich hatte ein paar Bedenken, ob PureRAW nicht vielleicht die gewollt unscharfen Bereiche des Bildes zu stark beeinflusst und dadurch Artefakte entstehen. Zum Glück war das eher die Ausnahme. Man erkennt zwar bei manchen Bildern leicht schärfere Kanten in unscharfen Bereichen, aber das ist selbst in der 100 % Ansicht nicht wirklich störend.
Einzig in den Übergängen zwischen scharf und unscharf ist zu erkennen, dass PureRAW dort nicht genau weiß, ob die dortigen Bildinformationen wichtig sind oder nicht. Jedenfalls muss man sich keine Gedanken darüber zu machen, welche Bilder man durch PureRAW schickt und darauf kommt es an.
Kann ich nur bestimmte Bildbereiche von PureRAW verbessern lassen?
Aktuell unterstützt das Programm keine Maskierungen. Es wird also immer das komplette Bild entwickelt und man kann die Entwicklung nicht auf bestimmte Bildbereiche beschränken. Ich glaube auch nicht, dass DxO diese Funktionalität einbauen wird, weil es dem simplen Charakter von PureRAW nicht gerecht wird. Außerdem kannibalisiert PureRAW dadurch vielleicht zunehmend die Verkäufe von PhotoLab, das natürlich Maskierungen bietet.
Ich hatte versucht ein von PureRAW erstelltes DNG mit einem Original-RAW in Photoshop als Ebenen übereinander zu legen, allerdings passten die Dateien nicht genau aufeinander. Viele Hersteller bauen mittlerweile eigene Korrekturprofile in die RAW-Dateien ein. Selbst wenn ich in PureRAW die Objektivkorrekturen ausschalte, liegen die Bild am Ende nicht deckungsgleich übereinander, was ein Arbeiten mit Ebenen praktisch unmöglich macht.
Glücksfälle und Problemfälle
Besonders ausgeprägt war der positive Effekt von PureRAW bei Bildern aus Micro Four Thirds Kameras, die systembedingt etwas „unschärfere“ RAWs mit weniger feinen Details produzieren und früher mit Bildrauschen zu kämpfen haben. Beispiele dazu findet ihr hier im Artikel.
Ein Problem hatte ich bei Landschaftsbildern aus der Canon EOS 5DsR, die sehr viele Details beinhalten. Die EOS 5DsR hat einen 50 Megapixel Vollformatsensor ohne Tiefpassfilter und ist in der Lage sehr viele Details aufzulösen. Bäume und Sträucher in einiger Entfernung wurden extrem überschärft und ertranken in Halos. Das Verhalten war mit der DeepPRIME Methode am ausgeprägtesten, jedoch auch mit den anderen Methoden weit entfernt von einem guten Ergebnis.
Bei den meisten Bildern der EOS 5DsR ist der Effekt nicht zu sehen oder zumindest zu vernachlässigen, deshalb glaube ich, dass es mit der Fülle von feinen Details zusammenhängt, die den Algorithmus überfordern. Ich könnte mir vorstellen, dass Bilder aus einer Sony Alpha 7R IV die gleichen Probleme verursachen.
Unterm Strich kann man also nicht mit Sicherheit sagen, ob eure Kamera- und Objektivkombination von PureRAW profitiert. Auch hier gilt: Testversion herunterladen und selbst ausprobieren.
Vergleich mit Topaz Sharpen AI und Denoise AI
Beide Programme hatte ich mir kürzlich in der neuen Version 3 angeschaut und weder das eine noch das andere kommen an die Ergebnisse von PureRAW heran. Oftmals hatte ich mit Artefakten zu kämpfen und manchmal wirkten die Bilder so, als hätte die AI zugeschlagen und Details hinzugefügt, die nicht im Bild waren und dort auch nicht hingehörten.
Diese Probleme sind PureRAW fremd, obwohl auch hier künstliche Intelligenz zum Einsatz kommt. Sharpen AI und Denoise AI verfügen jeweils über viele Einstellungsmöglichkeiten. PureRAW hingegen über fast keine. Trotzdem liefert PureRAW in meinen Augen die besseren Ergebnisse. Warum sollte ich mich also mit Einstellungen herumschlagen, bei denen ich am Ende zu keinem guten Ergebnis komme und für jedes Bild erstmal die richtigen Einstellungen finden muss?
Noch ein paar Beispiele
Weitere Beispiele gibt es auch direkt bei DxO zum Download: https://www.dxo.com/de/dxo-pureraw/why-pureraw/
Fazit
130 € für einen RAW-Konverter sind viel Geld. Trotzdem haben mich die Ergebnisse nicht nur überzeugt, sondern ich war geradezu erschrocken, wie viele Details PureRAW aus verrauschten und vermeintlich schon scharfen RAWs hervorzaubern kann. Für den Einführungspreis von 90 € habe ich auch direkt zugeschlagen, da ich bei meinen Bildern einen sehr großen Nutzen in der Verwendung des Programms sehe. Das muss aber nicht für jeden gelten und das Programm vorab zu testen ist praktisch unumgänglich, bevor man am Ende enttäuscht ist, weil der Effekt bei den eigenen RAWs nicht sichtbar ist, oder die RAWs sich gar nicht erst entwickeln lassen.
Die zusätzlichen Anforderungen an Hardware und Fotospeicher machen den Kauf noch weiter vom Geldbeutel bzw. anderen Faktoren abhängig. Eine uneingeschränkte Empfehlung kann ich deshalb nicht aussprechen, aber wenn ihr mit großen Dateien leben könnt und bereits über einen einigermaßen leistungsfähigen Rechner verfügt, werdet ihr mit Ergebnissen belohnt, die aktuell ihresgleichen suchen. Zumindest ich bekomme solche Ergebnisse nicht aus Lightroom, Capture One oder gar Photoshop herausgequetscht.
Dadurch, dass die Dateien am Ende im DNG-Format vorliegen, ist die Nachbearbeitung nicht eingeschränkt und es werden keine Plugins für Lightroom oder Photoshop benötigt. PureRAW integriert praktisch einen zusätzlichen Schritt im RAW-Workflow und ist meine neue Vorstufe bei der Bearbeitung meiner Bilder.